Wann ist meine Übersetzung fertig? Bis wann können 1 000 Wörter übersetzt werden? Wie lange dauert die Übersetzung von 10 Seiten? Solche Fragen stellen sich Kunden und Kundinnen, und das ist absolut verständlich. Übersetzung ist schließlich nicht ihr Fachgebiet. In diesem Artikel teile ich Tipps, wie Übersetzer:innen effizienter arbeiten können, und gebe vor allem wichtige Einblicke, was realistisch ist und was nicht. So wissen Sie als Auftraggebende, was Sie von professionellen Übersetzer:innen erwarten können.
Wie viel kann in 1 Stunde übersetzt werden?
Um diese Frage zu beantworten, formulieren wir sie mal um:
Wie viele Seiten können Sie in 1 Stunde lesen?
Jetzt stellen Sie sich vor, Sie müssten alle gelesenen Seiten fehlerfrei abtippen. Die Anzahl der bearbeiteten Seiten pro Stunde würde dadurch deutlich sinken. Übersetzung ist aber weitaus komplexer als das reine Abtippen von Wörtern.
Eine Übersetzung ist wesentlich zeitaufwendiger. Übersetzer:innen müssen nämlich auch:
- den Text interpretieren
- Passagen wiederholt durchdenken
- Inhalte neu formulieren
- Sätze umstellen oder umstrukturieren
- oft einen ganzen Absatz oder sogar eine komplette Seite lesen, bevor sie mit der eigentlichen Übersetzungsarbeit beginnen können
Zusätzlich fallen vorbereitende Recherche, die Klärung von Fachterminologie und Rückfragen an den Autor bzw. die Autorin bei Unklarheiten im Text an.
Professionelle Übersetzer:innen übersetzen durchschnittlich zwischen 300 und 450 Wörtern pro Stunde. In Ausnahmefällen – etwa bei kurzen, leicht verständlichen Texten und/oder bei Fachgebieten, in denen sie über umfassendes Wissen verfügen – können es bis zu 500 Wörter pro Stunde werden. Ich persönlich schaffe
durchschnittlich etwa 10 Seiten pro Tag.
Für Nicht-Übersetzer:innen ist dieses Tempo kaum erreichbar. Und genau hier zeigt sich, warum es sinnvoll ist, Übersetzungsarbeiten an Profis auszulagern: Professionelle Übersetzungen sind zwar recht kostspielig, aber in Arbeitsstunden umgerechnet, zeigt sich schnell, dass Ihnen deutlich mehr Zeit für Ihr Kerngeschäft bleibt. Darüber hinaus profitieren Sie von einem deutlich hochwertigeren Ergebnis. Ein weiterer Vorteil: Professionelle Übersetzer:innen nutzen spezialisierte Übersetzungssysteme –sogenannte
CAT-Tools –, die Texte direkt ins gewünschte Dateiformat übertragen.
In Kombination mit Hightech-Diktiersoftware wie Dragon Naturally Speaking lässt sich die Produktivität erheblich steigern. Ich zum Beispiel kann meine Übersetzungsgeschwindigkeit mit Dragon nahezu verdoppeln; allerdings ist ein derart hohes Arbeitstempo auf Dauer leider nicht durchzuhalten.
Daher halte ich einen Umfang von 10 Seiten pro Tag für realistisch.
Aber warum übersetzen professionelle Übersetzer:innen eigentlich schneller als Sie?
Welche Tools nutzen sie, um ihre Effizienz zu steigern?
Ein CAT-Tool ist nicht dasselbe wie eine Übersetzungsmaschine
Ein CAT-Tool (Computer Aided Translation Tool) ist ein professionelles Übersetzungssystem, das Übersetzer:innen während des gesamten Übersetzungsprozesses unterstützt. Dank integrierter Übersetzungsspeicher (Translation Memories) sparen Übersetzer:innen viel Tipparbeit bei ähnlichen oder wiederkehrenden Texten. Bei bestimmten Textarten, z. B. technische Datenblätter, schaffen sie damit pro Stunde schnell 800 bis 1 000 übersetzte Wörter.
Wird ein CAT-Tool mit einem MT-Plugin (z. B. DeepL Pro oder dem professionelleren AGT von MemoQ) kombiniert, lassen sich solche Übersetzungsgeschwindigkeiten auch für andere Textarten erzielen. Nachteil: Das anschließende Korrekturlesen erfordert mehr Zeit.
Aber Achtung: Nicht jedes Tool eignet sich für jede Textart! Die Wahl der passenden Tools hängt von verschiedenen Faktoren ab und erfordert oft eine lange Phase von Trial and Error.
- Dragon Naturally Speaking beispielsweise eignet sich weniger gut für Texte mit vielen Eigennamen oder komplexer Terminologie.
- CAT-Tools wiederum sind weniger hilfreich bei kreativen Projekten wie Buchübersetzungen, wo Sätze oft komplett umgestellt oder neu formuliert werden müssen.
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Ein MT-Plugin ist besonders effizient bei allgemeinen Texten mit niedrigem Schwierigkeitsgrad und einem Thema, zu dem online viel Referenzmaterial („Korpus“) gefunden werden kann. Bei technischen Texten hingegen sind MT-Plugins
oft eher hinderlich als hilfreich, während sie für z. B. die Übersetzung von Etiketten eine enorme Zeitersparnis bieten.